Technics SL-1210GR2 im Test:Handling und Hörtest
Der Tonarm ermöglicht dank seiner Höhenverstellung und seiner Masse alle gängigen Tonabnehmer zu verwenden, wobei das austauschbare Headshell in der Praxis zwei handfeste Vorteile bietet: Vor allem das Verbinden der Kontaktstifte des Tonabnehmers mit den Kabelschuhen der Headshell-Kabel geht viel einfacher vonstatten, wenn dies nicht am Tonarm erledigt werden muss. Auch die Verschraubung des Tonabnehmers und seine grobe Ausrichtung im Headshell nimmt man am besten vor, ehe man das Headshell anbringt. Wer gerne zwei unterschiedliche Tonabnehmer verwenden möchte, weiß ein abnehmbares Headshell ohnehin sehr zu schätzen, denn dann empfiehlt sich der Kauf eines zweiten, in dem ein alternatives System installiert bleibt, um ganz einfach und in Sekundenschnelle zwischen den Tonabnehmern zu wechseln.
Werksseitig wird der SL-1210GR2 ohne Tonabnehmer ausgeliefert, sodass Kunden ohne Mehrkosten für ein zu einem Paket gehörendes System freie Wahl haben - damit kann freilich die sprichwörtliche Qual der Wahl einhergehen, doch in diesem Segment ist der separate Erwerb des Systems gleichermaßen üblich wie sinnvoll. Für den SL-1210GR2 empfehlen wir gleich zum Start ein hochwertiges Exemplar zu verwenden und dafür 300-500 Euro zu investieren - anderenfalls bleibt man deutlich unter den Möglichkeiten dieses Drehers. Hinsichtlich Qualität und Preis lohnt sich unter anderem ein Blick auf das breite Angebot von Ortofon, das 2M Bronze (399 Euro) beispielsweise ist ein sehr gut geeigneter Spielpartner. Der SL-1210GR2 hält indes reichlich Klangpotenzial bereit, um beim Tonabnehmer qualitativ noch höher zu greifen oder zu einem späteren Zeitpunkt nochmals aufzuwerten. Für unsere Hörtests haben wir ein Denon DL-103R verwendet, dass beim Einbau Licht und Schatten präsentiert: Seine außen offenliegenden Schraubenkanäle führen zu einer Übung in Sachen Fingerfertigkeit, gleichzeitig lässt sich dieses System dank seiner schnörkellosen, symmetrischen Form sehr leicht ausrichten. Obendrein braucht man nur die Kanten des Gehäuses parallel zu denen des Headshell auszurichten (auch vorne in eine Flucht bringen) und schon sitzt das DL-103R perfekt.
Was die Stellfläche anbelangt, verhält sich der SL-1210GR2 sehr gutmütig, denn seine Sandwich-BMC-Zarge und seine breiten, Silikon-bedämpften Gerätefüße absorbieren Schwingungen sehr effektiv; dennoch sollte der Dreher selbstverständlich auf waagerechtem, stabilem Untergrund seinen Platz finden.
Hörtest
Zu Beginn des Hörtests liegt das neue Album »Speak Now (Taylor’s Version)« von Taylor Swift auf dem Plattenteller, mit dem die Pop-Ikone das dritte Re-Issue in einer Reihe von Wiederveröffentlichungen ihrer ersten sechs Studio-Alben vorlegt. Die drei LPs sind schon optisch ein Statement: Sie sind ausschließlich in den Farben »Orchid Marbled« und »Violet Marbled« erhältlich - nicht der erste 80er-Trend, den Taylor Swift aufgreift und sicherlich Geschmacksache, aber »Orchidee marmoriert« und der schwarze SL-1210GR2 geben zweifelsohne ein stylishes Bild ab. Was dann zu Ohren kommt, darf mit Fug und Recht auch als Statement bezeichnet werden, der SL-1210GR2 inszeniert die Ballade »Dear John (Taylor’s Version)« derart souverän und feinfühlig, dass man mit verbundenen Augen auf einen klassisch-puristischen Dreher aus der gehobenen audiophilen Liga tippen würde. In die reiht sich der robust wirkende Technics ohne Wenn und Aber ein, und zwar ziemlich weit oben. Die Gitarre steht bei diesem Song messerscharf umrissen und richtig proportioniert zwischen den Lautsprechern, wobei jedes kleinste Kieksen und Scharren des Plektrums auf den Saiten hörbar ist. Tonal wird das Instrument völlig authentisch abgebildet, besonders den Grundton versieht der SL-1210GR2 mit perfekt dosierter, natürlicher Wärme. Die gleiche tonale Charakteristik zeigt sich übrigens auch mit einem Ortofon Quintet Blue, das im Grundton farbstarke Denon ist also hierfür nicht allein verantwortlich, vielmehr eröffnet der SL-1210GR2 von sich aus das Potenzial zu einer reichhaltigen, erdigen Zeichnung. Die Stimme der Sängerin wird ebenso präzise konturiert in richtiger Höhe abgebildet und klingt natürlich, gleichzeitig lässt der Technics-Dreher mühelos die ganze Emotion von Taylor Swift überspringen, wenn sie in dieser Ballade über das Ende einer ungewöhnlichen und toxischen Beziehung singt.
Pianist und Komponist Vijay Iyer hat vor wenigen Tagen sein neues Album »Compassion« veröffentlicht, das die fruchtbare Zusammenarbeit mit Bassistin Linda May Han Oh und Schlagzeuger Tyshawn Sorey fortführt, welche mit »Uneasy« ihren Anfang nahm. Dieses brandneue, von ECM produzierte Jazz-Highlight gibt dem Technics-Plattenspieler reichlich Gelegenheit, sein ganzes Können zu demonstrieren. Und der lässt sich auch nicht lang bitten, schon die ersten Anschläge der großen Becken beim Opener und Titelstück »Compassion« entführen in den atmosphärisch hochdichten, facettenreichen Kosmos dieses Trios. Die Abbildungsschärfe des SL-1210GR2 ist nachgerade vorbildlich, und er beherrscht zusammen mit dem DL-103R die hohe Kunst, Becken mitsamt ihrem schillernden Funkensprühen schlicht und einfach ganz genau richtig klingen zu lassen. Kurz darauf wärmt der erste Kick der Bassdrum das Herz, denn der Technics serviert sie knackig, staubtrocken und mit substanziellem Punch. Wenn Vijay Iyer am Piano und Linda May Han Oh am Bass einsteigen, bringt er einmal mehr sein Feingefühl für klangfarbenreiche, authentische Tonalität ins Spiel, die jederzeit punktgenau ins Schwarze trifft.
Zudem entwirft der SL-1210GR2 hier eine weitläufig ausgedehnte, bis in die Tiefe des Raumes hinein sauber gestaffelte, taghell ausgeleuchtete Bühne; er platziert Piano, Bass und Schlagwerk klar voneinander abgegrenzt und gewährt den einzelnen Instrumenten gebührenden Freiraum. Das musikalische Geschehen nimmt immer mehr Fahrt auf, doch der Technics behält souverän den Überblick; er bringt Gong, Becken, Drums, Bass und Piano separat voll zur Geltung und schafft zugleich ein homogenes, involvierendes Gesamtbild - ganz große Klasse! Nun, da der SL-1210GR2 seine audiophilen Fähigkeiten eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat, darf er mit der EP »Lions Of God« von Indira Paganotto wenigstens ansatzweise die andere Seite seiner Natur präsentieren. Das Denon muss ein paar Starts und Stopps über sich ergehen lassen, denn wie schnell dieser Direktantrieb auf Touren und zum Stillstand kommt, fasziniert immer wieder auf’s Neue. Und ein wenig mit dem Pitch Control spielen muss ich auch, es macht einfach kolossal Spaß, diesen Dreher anzufassen, den butterweich und präzise laufenden Schieberegler zu bedienen. Die abgründigen Bassläufe bei »Diabla« tun das Übrige, der SL-1210GR2 zeichnet sie in ihrer ganzen Wucht straff durch, schüttelt gleichzeitig die Beats völlig locker aus dem Ärmel und sorgt für pures Club-Feeling - der SL-1210GR2 ist ein hervorragender Plattenspieler für alle musikalischen Vorlieben.